Monday, November 13, 2017

Die Ebene Und Die Berge

Grüße aus Piedecuesta in Kolumbien. Wir sind zur Zeit bei unseren Freunden Claudia und Carlos in dieser Stadt etwa 25 km südlich von Bucaramanga.

Piedecuesta liegt etwa 900 m hoch. Der Name bedeutet „Fuß des Hügels,“ und tatsächlich liegt die Stadt unterhalb der Mesa de Los Santos, deren Plateau die Stadt um etwa 800 m überragt. Carlos ist auch Hangflieger und hat einen Hang auf der Mesa entdeckt dessen Aufwind so stark ist wie Marcela und ich ihn von Eagle Butte im US Staat Washington kennen; für viele Hangflieger die Eagle Butte kennen heißt das, daß der Aufwind gewaltig sein kann.
Villavicencio
Villavicencio Main Square/Stad Plaza/Plaza Principal
Aber mal langsam und von vorne: wie sind wir hierher gekommen von Santa Elena aus wo wir unseren letzten Beitrag schrieben? Und warum brauchten wir sieben Wochen um die 250 km Luftlinie zwischen dort und hier zurückzulegen? — Weil die Luftlinie zwei Gebirgsketten überquert, und weil wir viele „Umwege“ einplanten und diese Pläne je nach aktuellen Tatsachen und örtlichen Gegebenheiten und auch unserer eigenen Willkür änderten.
Villavicencio RC Club
CAV Club field/Modellflugplatz/pista
Von Santa Elena aus fuhren wir die Cordillera Central hinunter zum Fluß Magdalena. Wir wollten eine neue Tankstelle als Übernachtungsplatz ausprobieren; wir hatten sie im August auf unserem Weg von Bogotá nach Girardota gesehen. Diese neue Terpel Tankstelle ist wie die modernen Copec Tankstellen in Chile ausgelegt: es gibt viel Platz abseits der Straße wo man umsonst übernacht parken kann. Auch hat’s saubere Toiletten und Duschen, einen kleinen Laden mit Restaurant und kostenloses WLAN. Copec und Terpel sind jetzt Partner, und mehr von diesen modernen Tankstellen sollen gebaut werden. Ihr einziger Nachteil ist der Lärm den parkende und abfahrende Lastzüge machen.
Club aeromodelismo Villavicencio
CAV Club Members/Mitglieder/socios
Nun wollten wir südwärts am Magdalena entlang fahren und auf Nebenstraßen das Städtchen Apulo erreichen. Marcela hat dort ein Grundstück, das sie verkaufen will; und auch eine freundliche Nachbarin Doris, in deren Garten wir parken können. Nix war’s: Vollsperrung der Straße wegen Brückenbau. Zunächst wurde uns eine Stunde Dauer gesagt, aber später wurde das auf vier bis fünf Stunden verlängert. Das war übrigens keine angekündigte Information für die wartenden Autofahrer, sondern Marcela hat sie von einem vorbeikommenden Ingenieur erfragt.
Bis dahin wäre es dunkel geworden, und wir fahren nachts grundsätzlich nicht! Also kehrten wir um und fanden einen Stellplatz westlich von Cambao. 
At the CAV field
Club de Aeromodelistas de Villavicencio
Auch sah es nicht so aus als ob die Brücke am nächsten Morgen fertig wäre, und so fuhren wir dann auf der Hauptstraße weiter, was in diesem Fall einen Umweg bedeutete. Aber dadurch kamen wir nach Armero, eine Stadt die 1985 durch einen pyroklastischen Strom vom ausbrechenden Vulkan Nevado Ruiz ausradiert wurde. Vielleicht erinnern sich manche an die Nachrichten über Omayra Sanchez, dem tapferen Mädchen, das eingeklemmt war und starb, da sie nicht gerettet werden konnte.
Casanare Road 65
Ruta 65
Die neue gut ausgebaute Straße (etwa 11 Euro Maut) brachte uns noch am Nachmittag nach Apulo. Da ist es warm! An das Klima muß man sich gewöhnen, und kalte Duschen und kälteres Bier sind immer willkommen hier; beides gab’s bei Doris. Wir blieben fünf Tage, auch um Marcela’s Grundstück mähen und die Hecke schneiden zu lassen. Das 780 qm Grundstück ist eben, und Anschlüsse für Strom, Gas, Wasser und Abwasser sind vorhanden. Es ist ruhig gelegen, 20 lockere Minuten Fußweg von der Ortsmitte entfernt.
pineapple crops
Pineapple/Ananas/Piñas
Von Apulo aus ging's die Cordillera Oriente rauf Richtung Bogotá. Dort oben auf etwa 2800 m Höhe trifft die feucht-warme Luft des Magdalena Tals auf die trockene und kalte Luft der Bogotá Savanne. Dadurch entsteht dort ein ökologisch einzigartiger Streifen Nebelwald. Wir übernachteten in einem Park namens Boca de Monte, der „Mund des Berges.“ Der Ort heißt wohl so, weil dort der Nebel „Atem“ entsteht.
Es war interessant aber kalt da oben, vor allem im Vergleich zu Apulo, und die Campinggebühren waren hoch. Also beschlossen wir Richtung Villavicencio weiter zu fahren. Dazu muß man erst mal um Soacha, der südlichsten Ausdehnung der Bogotá Metropole, herum manövrieren. Wenn man diesem Stadt-Monster mit seinen Verkehr-Tentakeln erst mal entkommen ist, geht’s zügig Richtung Villavicencio.
river in Casanare, Colombia
Túa river/Fluß/rio, Casanare
Zu zügig, würden wir sagen. Villavicencio ist das Tor zu Los Llanos, der riesigen Ebene zwischen den Anden und dem Amazonas Dschungel. Die Stadt liegt etwa 2300 m tiefer als Bogota und ist nur etwa 120 Straßenkilometer entfernt. Da geht’s den Osthang der Anden runter fast wie auf einer Schlittenbahn. Das ist jetzt noch deutlicher, weil eine Autobahn mit Tunnel und Brücken fast fertig ist. Noch sind viele Anschlüsse dieser Rennbahn nicht gebaut (nur Ortsansässige wissen welcher Feldweg zu der alten Straße in ihre Dörfer führt), und so werden Ortsunkundige auf der Autobahn recht effizient nach Villavicencio hinunter gespült.
Tipacoque, Colombia
Boyacá Town/Dorf/pueblo
Und so ist es uns dann auch ergangen, wir erreichten Villavicencio einen Tag früher als gedacht. Der nächste Montag war ein Feiertag, und so suchten wir ein ruhiges Örtchen, wo wir das „Gwerch“ (Verkehr und Lärm), das hier halt leider oft mit langen Wochenenden verbunden ist, vermeiden konnten. Und wir hatten Riesenglück: durch Zufall stießen wir auf die Hacienda Villa Luz. An diesem ruhigen Ort mit freundlichen Menschen fanden wir einen wunderschönen Platz unter Pomarosa Bäumen. Der Blick hinunter auf Villavicencio und die weiten Los Llanos dahinter war atemberaubend: es sieht aus als ob ein grünes Meer sich zum Horizont erstreckt.
Wir blieben sechs Tage. Die Pomarosa blühten, und ein kräftiges Gewitter warf einen Teil der Blüten auf den Boden, so daß wir immer einen roten Teppich um uns herum hatten. Auf der Wiese vor dem Camper konnte ich meinen Elektrosegler fliegen lassen; und mit Manuel, dem freundlich Manager, wanderten wir die umliegenden Hügel hinauf. Auch fuhren wir mit dem Bus nach Villavicencio. Dort trafen wir Maria Isabel, Marcela Nichte und ihre Familie. Marcela und sie hatten sich in bald 40 Jahren nicht gesehen!
Wir besuchten den Modellflugplatz des Club de Aeromodelismo Villavicencio (CAV). Ein Pilot namens German holte uns freundlicherweise ab. Wir nehmen eine solche Gelegenheit immer gern wahr und sind dankbar, daß sie uns gegeben wurde. Wir flogen trotz des vielen Regens. Den Club Mitglieder gefiel mein Elektrosegler, das war mal was anderes für sie.

Für uns ging’s weiter Richtung Norden, die Anden links, die Llanos rechts. Viel wird gebaut an dieser Route 65, und oft mußten wir anhalten und warten. Da ist es dann gut wenn man kein festes Tagesziel hat, denn man weiß nie ob man es schafft bevor es dunkel wird.
Lago Tota
Lago Tota, Colombia
In Aguazul bogen wir auf Route 62 ab und fuhren die Cordillera wieder hinauf. Tagesziel war der Campingplatz Playa Blanca am Lago de Tota, dem größten natürlichen See in Kolumbien. Leider ist dieser Platz sehr vergammelt, und so wie’s aussieht herrscht dort Partyhölle an Wochenenden. Der See und die Landschaft drum rum sind wunderschön, was einen überrascht wenn man von den großen Verschmutzungsproblemen durch die Forellenzucht im See und der Landwirtschaft an den Ufern erfährt.

Ab Duitama fuhren wir wieder nordwärts auf der Route 55. Und wieder gab es viel Straßenbau. Oben auf etwa 4000 m im Paramo westlich der Sierra Nevada del Cocuy, da braucht es dringend Straßenbau. Route 55 wird hier zum kurvigen Dreckpfad voller Schlaglöcher und tiefen Fahrspuren. Wie schlecht es ist sieht man daran, daß selbst die Lastwägen und Busse ganz langsam dahin schwanken. Wir brauchten zwei Stunden für die 20 km „Feldweg.“
Boyacá, Colombia
Boyacá, Colombia
Zum Wochenende fuhren wir nach Cácota, einem kleinen Andendorf auf 2400 m. Dieses Dorf hängt förmlich am Hang, und wir fragten uns ob es wohl irgendwo eine ebene Fläche zum campen gibt. Also stoppten wir bei der Polizeistation am Plaza und fragten nach. Da kommt Andrea, die Chefin selbst, denkt nach, und schlägt vor wir gehen zu Fuß, um uns eine Stelle anzuschauen.
Tatsächlich führte sie uns zu einem betonierten, absolut ebenen und überdachten Hof neben einem Familienhaus. Unser Camper hat grade so reingepaßt, aber die Familie hat uns gern empfangen; es gab sogar eine extra Toilette und Dusche für uns. Vielen Dank, liebe Familie und Andrea. Dort blieben wir über’s Wochenende, auch weil das Dorf ein kleines Festchen feierte. Das Mädchen Carol Diana, stolze sieben Jahre alt, führte uns durch die Festlichkeiten. Vielen Dank Carol!


Nach dem schönen Wochenende ging's dann nach Piedecuesta, wieder etwas schneller als wir erwartet hatten. Wir fuhren auf Route 55 weiter nach Pamplona, and dann südwestlich auf Route 66 nach Bucaramanga. Auch auf Route 66 treffen warm-feuchtes und kühl-trockenes Klima auf engem Raum aufeinander, und zwar genau da wo die Route plötzlich um gut 2000 m hinunter nach Bucaramanga abfällt. Das hier ist allerdings keine Schlittenfahrt, sondern lauter Kurven und Serpentinen.
Am Abend kamen wir dann bei unseren Freunden an. Wir waren hier jetzt eine Weile, auch um Carlos beim Bauen eines neuen RC Seglers zu helfen. Diese Woche geht es aber weiter Richtung Karibik. Dort haben wir auch overlander-Freunde, und die wissen schon, daß wir kommen.

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